Leben im Quartett

Das Signum-Quartett bei KARRIERE IV

Streichquartett, die Königsdisziplin in der Kammermusik. Das Signum-Quartett praktiziert sie  seit 10 Jahren sehr erfolgreich, mit 50 Konzerten im Jahr zwischen Prag, Leverkusen und Oslo. 2003 hatten die FREUNDE der Villa Musica die erste CD finanziert (siehe unter CDs).  Es war die Zeit als der Cellist Thomas Schmitz  und die zweite Geigerin Anette Walther, die das Ensemble während ihrer Studentenzeit 1994 gegründet hatten, Stipendiaten bei Villa Musica  waren. 2003 hatten sie sich gerade neue Partner gesucht:  Kerstin Dill für die Erste Geige. Der Viola-Partner wurde inzwischen nochmals ausgewechselt; Xandi van Dijk ist erst seit 2007 dabei.  Beim Karriere-Konzert IV im Hambacher Schloss am 22. April 2012 befragte Barbara Harnischfeger die Musiker über das Leben und Arbeiten im Quartett und konfrontierte sie mit den Erkenntnissen einer Agentin, die ein Buch über das innere Gefüge von Streichquartetten geschrieben hat.  Wie läuft es bei SIGNUM?


Der Bratscher

Bratscher wechseln am Häufigsten in einem Streichquartett. Sind sie die Underdocks?
Ja, ein bisschen, sagt Xandi van Dijk schmunzelnd. Der Bratscher werde gerne getreten, sei oft der weiche Typ. Und der Bratscher sei fürs Publikum nicht so prominent, müsse anpassungsfähig sein.  Neu in ein Ensemble zu kommen sei fantastisch und schwierig zugleich.  Ist es wie frisch verliebt? Ja, es gebe neue Impulse, sagen die anderen. Und Xandi van Dijk: Er komme aus Kapstadt, habe andere Blickpunkte und Anschauungen gehabt.  Da sich das Ensemble zu der Zeit aber auf einen Wettbewerb vorbereiten wollte, musste das Sich-Zusammenfinden schnell gehen. Wichtig sei der gegenseitige Respekt und dass man sich schätzt, ergänzen die anderen. Es habe eben eine Weile gedauert bis die Kombination funktionierte.  Thomas Schmitz:  Häufig zu wechseln sei in der Außenwirkung nicht gut und auch nach innen nicht.  „Wir hatten zwei Jahre keine feste Bratsche. Da beginnt man immer wieder von vorne, statt in die Tiefe zu gehen. In der Zeit entwickelt man sich nicht.“

 

Wer gibt den Ton an?

Früher hatte im Streichquartett musikalisch meist der Primarius das Sagen; oft war er  der Namensgeber. In den jungen Quartetten geht es demokratisch zu. Danach befragt sagt  Kerstin Dill, die Primaria: sie habe in Probe und Konzert am meisten zu tun, deshalb habe sie  oft das letzte Wort - „was ich aber nie ausnutze“. Es gebe nicht nur in der Musik, sondern auch im Organisatorischen oft unterschiedliche Meinungen.   Es werde nicht abgestimmt, das sei zu schwerfällig. Es sei halt wichtig, auf die Bedürfnisse des anderen einzugehen.  Kerstin Dill: „Wir sind ein höfliches Quartett. Sehr still.“ Ja, über prominente Quartette höre man anderes. Es soll sogar Quartette geben, in denen die Mitglieder unterschiedliche Hotels am Konzertort buchen, um sich aus dem Weg zu gehen.

„Wir haben uns gegenseitig ausgesucht, deshalb gibt es nichts wirklich Störendes“, ergänzt wiederum Cellist Thomas Schmitz über das Leben im Quartett.


Mit einer Stimme „sprechen“

Zunächst probt jeder zu Hause seine Einzelstimme, dann wird bei den gemeinsamen Proben über die Intonation geredet, über das innere Tempo. Was dem einen zu schnell vorkommt, sei dem anderen zu langsam. Es gebe viele Geschmäcker in der Interpretation. Es wird über Referenzaufnahmen diskutiert. Dann werde gedealed:  Erst mal Deine Idee, dann meine. Dann bewege man sich aufeinander zu. Um den Klangausgleich  zu kontrollieren, werden Tonbandaufnahmen gemacht. Es gehe darum e i n e Stimme zu finden. Das mit dem „einen Atem“ werde etwas hochstilisiert. Das Musizieren sei auch nur ein Job, aber eben einer der Schönsten, meint Thomas Schmitz.

 

Niemanden stören

Und wo wird geprobt? Doch nicht zu Hause im Wohnzimmer? Nein, das Signum-Quartett hat sich per Inserat einen Proberaum gesucht und in Leverkusen gefunden – einen Kellerraum mit Tageslicht. „Das Gefühl, niemanden zu stören sei wichtig. Leverkusen ist für alle gut zu erreichen. Thomas Schmitz lebt in Langenfeld zwischen Köln und Düsseldorf, Anette Walther in Düsseldorf,  Kerstin Dill und Xandy van Dijk wohnen in Köln.

 

Private Partner wissen worauf sie sich einlassen

Und wie funktionieren die privaten Beziehungen, wenn man mit einem Quartett verheiratet ist?  Anette und Kerstin führen eine Fernbeziehung, da klammere der Liebste sowieso nicht. Thomas ist verheiratet, Xandi lebt mit der Freundin zusammen.  Man könne nicht einfach mal übers Wochenende wegfahren, ohne das mit den BerufskollegenInnen zu besprechen und abzustimmen. Das Quartett steht an erster Stelle, da sind sich alle einig. Das Quartett sei auch zuerst da gewesen. Die privaten Partner kamen dazu und haben gewusst, worauf sie sich einlassen, so die vier Musiker.

 

Quartett ist zeitintesiv

Wollten sie jemals wieder etwas anderes machen als Kammermusik? Kerstin Dill, die erste Geigerin: Niemals. Dabei habe sie zunächst große Ehrfurcht gehabt vor dem Streichquartett. Anette Walter habe sie als Partnerin ausgesucht, ausprobiert und letztlich dazu ermutigt. Thomas Schmitz: „ Erst als Kerstin bei uns war wussten wir, dass Streichquartett unser Leben sein soll. Von da an ging’s bergauf“. Anette Walther spielt gelegentlich im Mahler Chamber Orchestra. Auch der Bratscher spielt schon mal Aushilfe im Orchester. Thomas Schmitz, der Cellist, hatte eine „Episode“ bei den Essener Philharmonikern, wie er es nennt. Es war sogar eine Solostelle. Aber nach der Probezeit habe er gekündigt: „Die Sucht nach der Lebensform Quartett war größer“. Wenn man im Orchester spiele habe man einfach nicht genügend Zeit, für die Kammermusik zu proben. Außerdem sei es eine ganz andere Art zu spielen, eine viel größere Verantwortung für Präzision und Klang.

 

Arbeitsteilung

Jeder im Quartett hat auch organisatorische Aufgaben. Anette Walther macht die Buchführung, die Steuererklärung, kümmert sich ums Reisen, bucht die Flüge. Xandi  macht alles was mit dem PC zu tun hat; er pflegt den Internetauftritt, vervielfältigt die Aufnahmen von den Proben.  Thomas kommuniziert nach draußen, mailt, beantwortet Anfragen, gibt Interviews. Etwas von der Öffentlichkeitsarbeit will er jetzt an Kerstin Dill abgeben, die bisher am Wenigsten mit Organisatorischem belastet wurde;  denn sie habe als Primaria den höchsten Übungsaufwand, müsse eigentlich den Kopf frei haben.

Bei Konzertveranstaltern vermarkten lässt sich das Signum-Quartett von einer Agentur. Das sei nicht billig, lohne sich aber.  Die Agentur handelt die Gage aus, achtet darauf, dass nicht zu weit gefahren werden muss. Das Reisen sei nämlich sehr Kraft raubend; da müsse die Folge der Konzertorte  schon intelligent geplant werden. Denn wichtig sei es, die Energie auf das Repertoire zu konzentrieren, damit die Interpretation der Stücke auf hohem Niveau zu halten ist. Bis vor einem Jahr sei noch jeden Tag geprobt worden, jetzt gebe es eine „bedingte Regelmäßigkeit“ wenn Konzerte vorzubereiten sind und besonders wenn ein neues Repertoire zu erarbeiten sei - dann gerne sieben Tage am Stück. „Aber man muss sich auch mal nicht sehen“, sagt Thomas Schmitz.

 

Gradmesser für Erfolg

Wann ist ein Quartett erfolgreich? Wenn die Mitglieder von der Kammermusik leben können. Das sei der Fall, aber zusätzlich eine Professur wäre auch nicht schlecht als Auffangnetz. Ein Quartett lasse sich leider nicht so vermarkten, so glamourös in Szene setzen wie ein Solist. Ein Lang Lang oder eine Netrebko lassen sich ganz anders pushen, sagt Thomas Schmitz. Bei der Kammermusik könne man danach gehen: Je größer die Säle, umso prominenter das Quartett. Und wichtig sei es,  ein zweites Mal eingeladen zu werden. Aber: wer in der Carnegie Hall besser spiele als in Hambach, der habe seinen Beruf verfehlt.


Sie haben fantastisch gespielt, im Hambacher Schloss auf Einladung von „Freunde der Villa Musica“, die ehemalige Stipendiaten in einer eigenen Konzertreihe des Villa Musica-Jahresprogramms unter dem Namen KARRIEREN I-IV präsentieren durften. Das Konzert des Signum-Quartetts war professionell perfekt und emotional überwältigend. Schuberts Streichquartett d-Moll, D 810, „Der Tod und das Mädchen“: ergreifend und zum Weinen schön.  Den „Freund“ Dr. Bernd Schoppmann hat Debussy‘s Streichquartett d-moll  am Meisten mitgenommen. Lesen Sie, was er dem Ensemble nach dem Konzert vom 22. April 2012 gemailt hat:

Gestern  war für mich das Erlebnis eines wahren Konzertes ganz überwältigend in vielerlei Hinsicht. Harmonie der Solisten zuerst, dann die Kommunikation mit Blicken meist diagonal, wie man sich am besten kennt. So sanft wie Kerstin den Bogen ansetzt, kann man kaum beschreiben und wie kraftvoll sie sich steigern kann muss man erlebt haben. Das gilt für alle 4, aber wenn ich sehe wie Xandi in die Musik regelrecht genussvoll versinkt, ist es eben doch anders aber es passt! Mein Gott, am Ende des Andantino von Debussy hat es mich von Stuhl gehauen. Was für ein schönes Konzert. Ich hoffe die Carnegie wird ihren Fans öfter Gelegenheit geben Euch genießen zu können. Die Energie die Ihr beim Musizieren auf die Besucher ausstrahlt kann man auch nicht beschreiben. Man spürt aber genau dass viel "rüberkommt" und das macht den Erfolg aus. Kurz es war eines meiner besten Konzerte in den letzten Jahren. Annette und Thomas bringen sich kraftvoll wie auch zart so gut ein wie die anderen Zwei. Ich habe jeden von Euch ungeheuer genossen. Habe mir auch die CD gekauft und auf dem Heimweg gehört. Mein Dank auch an Barbara H. Die mich zu Euch geführt und mit Euch geplaudert hat. Ich wünsche mir, dass Ihr noch lange zusammenbleibt und ich noch Vielen von Euch erzählen kann.“