Der Schmelz des Alten und die Kraft des Jungen
Christine Rauh präsentiert den FREUNDEN ihre Ruggieri-Kopie
„Das ist meine Stimme die ich höre. Das klingt so wie ich es im Kopf habe“. So äußerte sich die ehemalige Villa Musica-Stipendiatin Christine Rauh gegenüber der Freundeskreisvorsitzenden Barbara Harnischfeger überglücklich als ihr neues Cello fertig war, dass sie sich nach dem Vorbild eines wertvollen Leihinstrumentes, eines Ruggieri von 1671 hat bauen lassen. Die „Freunde der Villa Musica“ halfen ihr finanziell beim Abenteuer Cello-Nachbau. Am 1. März 2015 dann gab die Rostropowitsch-Schülerin das Dankeschön-Konzert in Schloss Engers. In der Villa Musica-Reihe „Karrieren“ präsentierte sie das Instrument in einem außergewöhnlichen Programm von Klassik bis Jazz und zeigte, was das Cello aus der Werkstatt des Berliner Geigenbauers Ragnar Hayn bringt: „ Es hat den Schmelz des Alten und die Kraft des Jungen“, so Christine Rauh im Gesprächskonzert.
Christine Rauh, 30 Jahre alt, ist eine Musikerin, der es auf Kommunikation mit den Zuhörern ankommt. Ein Konzert soll dynamisch sein, soll Kontakt mit dem Publikum schaffen. Musiker seien selbst schuld daran, wenn über Jahrhunderte eine Distanz zum Publikum entstanden sei. Zusammen mit der Deutschen Radiophilharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern produziert Christine Rauh derzeit eine CD, auf der sie auch selbst spricht. Sie improvisiert gerne, schreibt eigene Bearbeitungen, z. B. von Gershwins „Préludes“ und sie ist Entdeckerin der Musik von Nikolai Kapustin. Die Cello-Werke des heute 77jährigen Ukrainers, der in Moskau lebt, waren unveröffentlicht bis sie sich zu ihm vorarbeitete und er ihr die Noten schickte mit der Bemerkung „Dann spielen sie mal“. Ein Stück mit Orchester von Nikolai Kapustin kam durch Christine Rauh zur Aufführung bei der Live-Übertragung eines Konzertes mit der Deutschen Radiophilharmonie am 5. März in SWR2.
In Schloss Engers am 1. März waren zu hören: Gershwin, Kapustin, Rachmaninoff, Martinu, unter anderem mit seinen hoch anspruchsvollen Rossini-Variationen, und Piazzollas Grand Tango. Beim Tango erzeugte Christine Rauh mit ihrem neuen Cello höchste Expression und Gefühl. Bei Kapustin, der vom amerikanischen Jazz beeinflusst ist, traktierte sie das Instrument fast brutal.
Das Publikum war begeistert von ihrer Performance. „Faszinierende Ausstrahlung - die Frau lebt mit ihrem Cello - sie wollte uns zeigen, was sie aus dem Instrument rausholen kann - sie kommt sofort in Kontakt zum Publikum -die kann einen großen Saal füllen - sehr lebendig - natürlich, keine Allüren - tolles Programm“, waren die Äußerungen nach dem Konzert und dem Interview, in dem Christine Rauh über ihr neues Cello erzählte.
Als Hochbegabte und Gewinnerin vieler Preise hatte sie während Ihres Studiums ein 340 Jahre altes Cello als Leihgabe von „Deutsche Stiftung Musikleben“ erhalten und sich in den Klang verliebt. Nach drei Jahren wird sie das Schätzchen abgeben müssen, das ist klar. Da kommt ihrem Lebenspartner die Idee: Lass es Dir doch nachbauen. Christine kennt den Berliner Geigenbauer Ragnar Hayn. Sie lässt ihn das Ruggieri vermessen, sucht mit ihm 100 Jahre gelagertes Holz aus und gibt ihm den Auftrag für ein neues „altes“ Cello. Unerschwinglich. Es sei denn es finden sich Wohltäter. Die Freunde der Villa Musica, die Christine Rau schätzen, seit sie 2012 beim Jahrestreffen in Spay gespielt hat, helfen. Das Vorhaben „Cello nach Maß“ gelingt.
Mit einnehmender Begeisterung stellt die Künstlerin im Gesprächskonzert in Engers ihr Instrument vor und alle können es hören: „Es hat den Schmelz des Alten und es hat die Kraft eines Jungen“. Hochachtung dem Geigenbauer, der den Mut hatte, eine Stradivari unter den Celli nachzubauen. Die Farbpalette, das Klangspektrum ist faszinierend. „Millimeter bei der Bearbeitung des 100 Jahre gelagerten Holzes sind entscheidend“, sagt Christine Rauh. „Er hat genau diesen italienischen Schmelz hingekriegt, den ich will. Dabei gefällt mir das neue Cello, ehrlich gesagt, besser als das Ruggieri, weil es mehr Biss hat. Das andere war wie ein Opa, entkräftet, merke ich jetzt. Das neue ist weniger anfällig und stabiler im Klang“. „Die Kratzer auf dem Rücken sind nachgemacht“ – ergänzt sie schmunzelnd.
Christine Rauh, geboren in Osnabrück und aufgewachsen in Oxford, erzählt auch, dass sie schon als Fünfjährige auf dem Cello improvisierte - bevor sie ihre klassische Ausbildung begann. Die Hinwendung zu Gershwin, zu Jazz, zu gelegentlich unkonventionellen Kombinationen mit Beat-Musikern sogar, sei somit nicht das Aufsuchen einer Nische im Konzertbetrieb, sondern eine natürliche Kombination. Die Cellistin wird aber auch für ihre klassischen Interpretationen geschätzt. Nach Hamburg in die Laiz-Halle wurde sie nach ihrer Haydn-Interpretation wieder eingeladen. In Korea, wo sie den Isang Yun-Wettbewerb gewonnen hatte, spielt sie öfters. Und im Konzert in Engers war der Intendant des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie zugegen, der von ihr schwärmt, seit er sie für die Thüringischen Philharmonie mit dem Schumann Cello-Konzert engagiert hatte.
Bei der Matinée in Schloss Engers machte auch ihr langjähriger Partner, der 30jährige Pianist Johannes Nies, geboren in Herdorf, großen Eindruck. Nies lebt in Hannover, macht Kammermusik, für die er viel bei der Villa Musica gelernt habe, wie er sagt. Er arbeitet gelegentlich mit dem NDR-Sinfonieorchester zusammen, spielte mit diesem Orchester jüngst das 2. Rachmaninoff-Klavierkonzert. So eine Möglichkeit des Auftritts mit großem Orchester sei eine Sternstunde, da wisse er wofür all die Plackerei des täglichen Übens. In Engers hat sich Johannes Nies als kraftvoller aber sensibler Kammermusikpartner erwiesen. Den großen Steinway D hat er hervorragend behandelt. Nies war präsent und hielt nicht hinter dem Berg, aber er war eben bei allem Ausdruck und Drive nicht hart und nicht zu laut. (Siehe Kritik in der Rhein-Zeitung).
Die FREUNDE und auch andere Konzertbesucher zeigten sich richtig glücklich über die Matinee der Villa Musica in Schloss Engers. Beim gemeinsamen Mittagessen der Vereinsmitglieder wurde das Konzert besprochen.
Vorstandsmitglied Prof. Dr. Klaas Bergmann aus Kaiserslautern, der zum Freundeskreis-Konzert in Engers nicht anwesend sein konnte, hat die Cellistin Christine Rauh mit der Deutschen Radiophilharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern beim Konzert am 5. März erlebt, das live in SWR2 übertragen wurde, und schreibt: „Wirklich beeindruckend, diese Dame - und höchst erfreulich, dass wir sie fördern konnten.“
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In der Rhein-Zeitung, Kultur-lokal, schreibt Liselotte Sauer-Kaulbach über das Villa Musica-Konzert in Schloss Engers: