Woher nimmt er nur die Puste
Förderpreisverleihung 2017 an den Fagottisten Theo Plath
Puste und Ausdauer wie ein Hochleistungssportler, exzellente Technik, dazu musikalische Hochbegabung und hohe interpretatorische Fähigkeiten. Theo Plath aus Koblenz hat alles. Zwei Stunden Solo auf dem Fagott – beim Preisträgerkonzert der Villa Musica am 25. November 2017 in Mainz. Barbara Harnischfeger verlieh zusammen mit Stiftungsvorstand Georg-Rudolf May vom Kulturministerium RLP den mit 3000 Euro ausgestatteten Villa Musica Förderpreis der FREUNDE 2017 an den Kammermusik-Stipendiaten Theo Plath. Was heißt hier Stipendiat. Der 23jährige ist ein Meister seines Instruments. Und am 1.1. 2018 tritt er seinen Jahresvertrag als Solofagottist bei der Deutschen Radiophilharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern an. Nebenher absolviert er weiter das Masterstudium in München bei Dag Jensen und Auftritte als Kammermusiker mit Größen der Branche und mit seinem eigenen Monet-Bläserquintett. Fabian Müller am Klavier – dieses Jahr Gewinner mehrerer Preise beim ARD-Wettbewerb und ebenfalls Villa-Musica Stipendiat- ist ein kongenialer Partner. Sympathische Elite-Künstler auch im Interview vor den „Freunden der Villa Musica“ und dem übrigen Konzertpublikum. Da gab es Staunen über die Reife der Gedanken und viele Lacher über schlagfertige Antworten.
Orchesterstelle errungen
Schöne Linien bei der Fagott-Sonate von Camille Saint-Saens. Ausdauer bei der Bach-Partita in a-Moll und sichtlich tiefes Durchatmen zwischen den Tanzsätzen, halsbrecherische Spieltechniken bei den witzigen Stücken des noch lebenden Komponisten Franz Holliger. Es war ein Meisterstück, das Theo Plath beim Konzert zur Förderpreisverleihung ablieferte. „Aber nicht so anstrengend wie das Probespiel zur Bewerbung bei einem Orchester, was er schon vier mal mitgemacht hat“, sagt Theo Plath im Interview. So ein Probespiel sei Nervensache, weil viel davon abhängt, nämlich ein sicheres Einkommen. Dabei sei die Situation, mit 2 Minuten Mozart zeigen zu müssen was man kann oder Orchesterstellen nur mit Klavierbegleitung zu spielen, eine größere Nervensache als ein Konzert, und total unnatürlich. Theo Plath hat die Situation bewältigt. Bei der Deutschen Radiophilharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern tritt er am 1. Januar 2018 seine Stelle als Solofagottist an – im Februar wird er 24 Jahre alt.
Was wird ihm die Erfahrung aus der Kammermusik für seinen Orchestereinsatz bringen? „Im Prinzip macht ein gutes Orchester nichts anderes als Kammermusik im großen Rahmen“, sagt der junge Fagottist, der aber durchaus schon Orchestererfahrung sammeln konnte. Es gehe immer ums Kommunizieren, „im Orchester halt mit extrem vielen Leuten“.
Wettbewerbsstress
Was Theo Plath an Nerven brauchte fürs Orchester-Probespiel brauchte Fabian Müller aus Bonn, der Duo-Partner am Klavier beim Villa Musica-Förderpreiskonzert, bei den vielen Wettbewerben, die er schon gespielt und gewonnen hat. Es gebe inzwischen 300 Klavierwettbewerbe pro Jahr. „ Das System kollabiert und die Preisträger können gar nicht mehr ausreichend bedient werden mit Konzertangeboten“. Aber eine Handvoll Preise seien bedeutend für den Einstieg in den Konzertmarkt: der Chopin-Wettbewerb in Warschau, der Reine Elisabeth in Brüssel, der Tscha“ikowsky-Wettbewerb in Moskau und der ARD-Wettbewerb in München. Ihm habe der Erfolg in München 2017 Konzerte eingebracht mit dem SWR-Sinfonieorchester und mit der Deutschen Radiophilharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern. Bei den großen Profi-Orchestern schaue man schon auf die Wettbewerbsgewinner.
Ist es schmerzlich, beim ARD-Wettbewerb in München „nur“ den 2. Preis gemacht zu haben – wenn auch dazu den Publikumspreis und einen Sonderpreis? „ Man fühlt sich wie mit dem 1. Preis“, sagt Fabian verschmitzt und mit Blick auf Theo Plath: „Man hat Fans dabei und die sagen einem, dass man eigentlich den 1. Preis verdient hätte.“
Von Theo Plath will die Freundeskreisvorsitzende noch wissen, ob man gesund leben müsse, um eine Bach-Partita zu überstehen. „Ich kenne erschreckend viele Musiker, die viel rauchen, aber ich habe mit dem gesund leben auch gute Erfahrungen gemacht“, ist die Antwort. Lacher für so viel Witz. Ja, und bei Bach lerne man, seine Kraft einzuteilen. Und mit dem Üben dürfe man sich nicht martern. „Das wäre eher kontraproduktiv“, lernen wir.
Atmen wie ein Frosch
Was ist eigentlich Permanent-Atmung, die ein Fagottist braucht, um lange Phrasen auf einem Atem zu spielen und nicht abzuhacken, will Barbara Harnischfeger wissen. Antwort und Demonstration: Backen aufblähen wie ein Frosch, daraus blasen und gleichzeitig durch die Nase Luft in die Lunge nachtanken. „Um das zu üben brauchen Sie kein Instrument zu kaufen, das können Sie mit einem Strohhalm und einem Glas Wasser machen“, sagt Theo Plath dem Publikum. Es ist ein informatives und vergnügliches Gespräch.
Wie ist er eigentlich aufs Fagott gekommen? „Ganz klassisch, bei einem Tag der offenen Tür in der Koblenzer Musikschule, wo sein Vater Geigen-Lehrer ist. Vater Burkhart Plath muss übrigens dem Pianisten umblättern, beim Villa Musica-Konzert. Die Mutter, Musiklehrerin an der Schönstätter Marienschule in Vallendar sitzt im Publikum, ebenfalls die Oma, eine ehemalige Kirchenmusikerin. (Theos Schwester spielt Cello.) Die Oma erzählt am Rande des Konzertes: Bei dem Tag der offenen Tür habe Theo, der Fünfjährige, sogar der Tuba einen sonoren Ton entlockt, zum Erstaunen der Umstehenden, aber das Fagott hatte es ihm sofort angetan.
Unterricht nahm der Fünfjährige dann gleich bei einem Spitzenmusiker, bei Niko Mahler, dem Solofagottisten des Staatsorchesters Rheinische Philharmonie. Mahler brachte den Jungen, als der 8/9 Jahre alt war, nach Engers, wo in der Kammermusikakademie Klaus Thunemann gelegentlich Projekte leitete und für Theo als Lehrer zu gewinnen war. Bald wurde Theo bei Villa Musica-Konzerten eingesetzt, ohne je das eigentlich erforderliche Probespiel absolviert zu haben. Ab 2015 wurde er dann offiziell Stipendiat und machte weiter Erfahrung mit der Kammermusik. Auch sein selbst gegründetes Monet-Bläserquintett wird von der Villa Musica gefördert.
Was Theo Plath und seinen Klavierpartner Fabian Müller außer gemeinsamen Einsätzen bei der Villa Musica verbindet: beide engagieren sich bei der Musikvermittlung an Kinder. Theo Plath geht in die Schulen innerhalb des Programms „Rapsody in School“ in Rheinland-Pfalz. Fabian Müller erzählt von Auftritten in einem Duisburger Problemviertel, wo 80 Prozent einer Klasse kein deutsch sprechen und wo es Rassismus untereinander gebe. Fabian Müller spielt in einem Projekt dort moderne Musik auf dem Klavier und die Kinder tanzen dazu. Seine Erfahrung: „ Das macht Spaß. Sobald man sich mit ihnen beschäftigt, merkt man, dass es total clevere und neugierige Kinder sind“.
Gefühle wecken
Theo Plath meint, es komme darauf an w i e man den Kindern Musik näher bringt. Es sei völlig unwichtig, wer der Komponist ist und wann etwas komponiert wurde, es gehe bei Kindern um das, was auch ihm als Musiker wichtig sei, die Gefühle. Er spiele einfach und frage die Kinder was sie empfinden und welche Bilder bei ihnen aufgehen. „Kleine Kinder sind offen für alles – für Bach und für einen Zeitgenossen wie Holliger“.
„Auch viele Erwachsene haben Schwierigkeiten, eine Brahms-Sonate zu verstehen“, sagt Fabian Müller. Deshalb moderiere er oftmals bei Konzerten. Das tut dann auch Theo Plath bei der „Klaus-ur“ von Heinz Holliger. Es ist wie eine Schulstunde für Fagottisten: Anweisungen über Lagenwechsel, gebunden und gestoßen, ein panisch langer Ton. Sauggeräusche, Anschmatzen, Luftgeräusche, Klappengeräusche, angesaugte Obertöne – ein Parcours äußerster Schwierigkeiten. Geschrieben hat das der Komponist zum ARD-Wettbewerb 2002 als Pflichtstück, bemerkt Karl Böhmer im Programmheft. „Gnadenlose fünf Minuten der Wahrheit mit kaum noch realisierbaren Spielweisen“. Wahnsinn.
Nachfeier zum 20jährigen der FREUND
Den FREUNDEN der Villa Musica wurde wieder ganz besondere Höchstleistung geboten. Als Zugabe, zum entspannen: „Salut d’amour“ von Edward Elgar– eine Art Kaffeehausmusik als Einstieg zum Plausch nach dem Konzert. Schließlich wollten die „Freunde“ noch auf ihr 20jähriges Bestehen anstoßen. Barbara Harnischfeger hatte das Jubiläum in ihrer Begrüßung thematisiert und im Kern wiederholt, was sie bereits am 5. November in Schloss Engers bei der Jubiläumsfeier gesagt hatte. Und: zu den Anfang November 670 Mitgliedern sind inzwischen noch 5 dazu gekommen. Weiter so, damit die Lobby für die Villa Musica immer stärker wird.
Georg-Rudolf May vom Vorstand der Landesstiftung Villa Musica sagte: „Der Freundeskreis ist nicht nur die Institution, die uns den Rücken stärkt, ein Stück weit sind Sie auch unser Rückgrat.“