Mandelring-Quartett

Weltklasse Musiker,  in der Pfalz geerdet

Großartiges Konzert und unterhaltsam-informatives KARRIERE-Gespräch
am Sonntag, 16. Oktober 2016 beim VILLA MUSICA-Konzert in Burg Namedy

Sie sind länger zusammen als es die Villa Musica gibt. Seit 33 Jahren spielen die Geschwister Schmidt aus Neustadt/Weinstrasse Streichquartett – nur den Bratschisten müssen sie von außen holen. Seit 2015 ist es Andreas Willwohl, ein Professoren-Kollege des Cellisten Bernhard Schmidt an der Hochschule in Nürnberg. Primarius Sebastian Schmidt hat eine Professur in Hamburg. Nanette Schmidt braucht ihre pädagogischen Fähigkeiten für die drei Kinder, die sie neben dem Beruf großzieht – mit Hilfe von Eltern und Schwiegereltern. Es gibt eine heile Großfamilie, die half, die Karriere aufzubauen und die hilft, den Erfolg zu halten. Die Balance zwischen unterwegs sein und zu Hause sei ausgeglichen und erfüllend, sagt Nanette. 80 Konzerte gibt das Mandelring Quartett im Jahr – in München und Berlin haben sie Kammermusikreihen, in London, Madrid, Paris, Wien, in New York, in Tokio sind sie gefragt. Aber sie wohnen weiterhin in der Pfalz - Bernhard in Landau, Sebastian und Nanette in Neustadt. Dort haben sie ihren Probenraum im Anwesen der Eltern. Die hatten ein ehemaliges Kelterhaus gekauft, als das Wohnzimmer zu klein geworden war für das Quartett. Der Vater, ein ehemaliger Musiklehrer, hilft heute bei der Organisation des Hambacher Musikfestes, das die Mandelrings 1997 gegründet haben und durchführen. Heimatverbundenheit. Dabei ist Mandelring ein Name in der Klassik-Welt. In den Feuilletons wird die Formation zu den sechs weltbesten Streichquartetten gezählt.

Kreatives Chaos vor 30 Jahren bei Villa Musica

1987 war Sebastian Schmidt einer der ersten Villa Musica-Stipendiaten – Bruder Bernhard und Schwester Nanette folgten. Der erste Kurs lief über vier Wochen im Herz Jesu-Kloster in Neustadt. Da gehst Du mal hin, hatte der Vater gesagt. Da waren Dozenten wie George Neikrug aus USA, Sergej Krawtschenko aus der UdSSR. Aber an Organisation funktionierte nichts, sagt Sebastian: Noten fehlten. Man konnte auf das Archiv der Familie Schmidt zurückgreifen. Als Geiger hatte sich Sebastian beworben und dann musste er durchweg Bratsche spielen. Für den Transport von Stipendiaten, die man vergessen hatte, brach Sebastian ins Kursbüro ein, um den Schlüssel für den draußen stehenden VW-Bus „zu stehlen“ und alle noch pünktlich zum Konzert zu bringen. Das Publikum in Namedy amüsierte sich köstlich bei den Schilderungen. Und auch auf Fragen nach dem späteren Berufsleben im vertrauten Geschwisterkreis reagierten die Mandelrings mit launigen Antworten. Gute Stimmung bei einem locker fließenden Talk.

Immer der Bratscher geht

Wie fühlt sich Andreas Willwohl, der Bratscher, bei den aufeinander eingespielten Schmidt-Geschwistern? Er sagt: „Ich habe drei Schwestern. Wenn ich mit denen Musik gemacht habe, gab es bei den Proben Mord und Totschlag. Aber dann haben wir an Weihnachten in der Kirche doch ganz ordentlich musiziert.“ Beruflich hat er bereits in zwei Quartetten gespielt: „das ging am Menschlichen auseinander.Ich habe mich gefragt, wie ist es möglich, 30 Jahre als Geschwister zu spielen. Ich habe es mir angeschaut und es ging besser als ich dachte.“ Und die Rollenverteilung im Quartett?Ich bin der Fahrer“, scherzt Primarius Sebastian schon wieder. „Ich treffe die Absprachen mit den Agenturen“, sagt Bernhard, der Cellist.Und warum sind es auffallend oft die Bratscher, die ein Ensemble verlassen? Nanette meint, weil sie vom Solisten am Weitesten entfernt seien. Doch Andreas Willwohl hält selbstbewusst dagegen, dass der Bratscher als Bindeglied zwischen den Geigen und dem Cello äußerst wichtig sei.

Mandelring und der CD-Markt

Wie sehr muss sich ein Streichquartett bei der Auswahl seiner Werke nach dem Schallplattenmarkt richten? Spielten sie Janacek und Schostakowitsch ein, weil es schon zu viel Schubert und Beethoven auf CD gibt? Nein, sagt Nanette Schmidt. Wir gehen danach, was uns beschäftigt, was uns am Herzen liegt. Und Bruder Sebastian ergänzt: „Ich empfinde es als Luxus, dass wir uns heute leisten können, auch Mendelssohn, Schubert und Beethoven einzuspielen. Davon haben wir auch schon vor 30 Jahren geträumt, aber da wollte es niemand von uns, da gab es Berühmtere. Da haben wir uns mit Onslow befasst, einem französischen Zeitgenossen von Beethoven, mit Berthold Goldschmidt, einem Holocaustüberlebenden. So machen es die jungen Ensembles heute auch in ihrer Karriereplanung. Der Gewinn großer Wettbewerbe ist nach wie vor der Einstieg in die Karriere.

An Nachwuchs kein Mangel

Apropos Nachwuchs. In den zurückliegenden 20 Jahren haben sich in der Welt 80 Streichquartette gegründet, ist zu lesen. „Daran sind wir mit schuld, weil wir unsere Begeisterung weitergegeben haben, sagt Sebastian Schmidt. Können die Instrumentalisten mit Kammermusik ihr Brot verdienen? „Es wird schwer werden, weil allenthalben bei den Kulturausgaben gekürzt wird, Konzertreihen ausgedünnt werden. Und es verschwinden viele Ensembles auch wieder, lösen sich auf.
Aber die wirklich guten werden es schaffen zu bestehen“, ist der Hochschullehrer überzeugt.

Nicht zu viel reden

Wie geht das Mandelring Quartett an eine Werkinterpretation heran? Wie viel wird geredet, um auf einen Nenner zu kommen? Bernhard Schmidt erläutert, es sei sinnvoll, die Gesprächszeiten im Zaum zu halten. „Wenn man jede Nuance fassen wollte, würde man nur reden und käme zeitlich nicht sehr weit. Man spüre schnell, an welcher Stelle man etwas tun muss, damit es funktioniert. Die Erfahrung helfe, schnell an den Punkt zu kommen an dem man sagt, wir können uns wohlfühlen im Konzert. Bernhard Schmidt: „Wir erarbeiten in den Proben ein Interpretations-Konzept, aber nicht jedes Detail. Es bleibt der Freiraum, im Konzert spontan reagieren zu können und auf der Bühne zu kommunizieren. Und das ist entscheidend dafür, dass es auch nach 33 Jahren immer wieder Spaß macht aufzutreten und zu fühlen: hier passiert etwas Besonderes".

Andreas Willwohl bedauert, dass heute meist nichts mehr riskiert werde im Konzert. Vieles klinge heute kühl. Und Willwohl weiter: „Ich finde jedenfalls, Emotionen beim Musiker und beim Publikum müssen angesprochen werden. Sonst ist es nur perfekt und es hat keiner was davon.“

Die Konzertkritik

Das Publikum beim Villa Musica-Konzert fühlte sich sehr angesprochen, ebenso wie die Kritikerin Lieselotte Sauer-Kaulbach. Sie schreibt:
Die vier Mandelring-Musiker entfalten den Witz des Haydn'schen Quartetts mit unverhohlener Lust am Spielerischen, und tun dies in so selbstverständlichem Einvernehmen, wie es nur aus langem Miteinander erwächst. Eben diese absolute Übereinstimmung in den feinsten melodischen Verästelungen, dieses völlige Einssein in subtilsten dynamischen Abstufungen, charakterisiert auch ihre Interpretation des „Rosamunde-Quartetts“, des op. 29 in a-Moll Franz Schuberts, das seinen Beinamen dem Andante verdankt, in dem der Komponist seine Zwischenaktmusik zum gleichnamigen Schauspiel wieder aufgreift. Da herrscht, und nicht nur in diesem vom Mandelring-Quartett beinahe selbstversunken ausgekosteten Satz, ein einziges gefühlvolles, melancholieträchtiges, manchmal fast endloses Singen, erfüllt von tiefer Sehnsucht nach Schönheit. Die aber gibt es nie ungestört, sondern nur zerklüftet und zerrissen durch heftig dreinfahrende Akkorde oder ungebärdige Triolen.

Ungebärdig gibt sich auch der erste Satz des zweiten der drei vom Grafen Rasumowsky in Auftrag gegebenen, zum op. 59 gebündelten Streichquartette Ludwig van Beethovens. Alles in diesem Satz, die sperrigen Synkopen, die furiosen Fortissimo-Steigerungen, ist Auf- und Ausbruch. Der wird nur vorübergehend beruhigt in einem von den Mandelrings schier herzinniglich ausgelebten Molto Adagio, bevor das Presto-Finale mit rasenden Läufen zur wilden, Bravorufe des Publikums provozierenden Jagd bläst.