Zum Ziele führt dich diese Bahn
Aus dem Leben der Sängerin Edith Mathis
Die Sopranistin Edith Mathis gab in der letzten Märzwoche 2007 einen Meisterkurs in Schloss Engers. Einige FREUNDE hatten sich über unseren Geschäftsführer Kai Link Zugang verschafft und konnten zuhören, was die Meisterin Ihres Fachs über die Kunst des Phrasierens lehrte. Eines der beiden Abschlusskonzerte der Gesangs-Stipendiaten fand am 31. März im Haus der Villa Musica in Mainz um 19 Uhr statt. In der Reihe MUSIK IM GESPRÄCH erlebten die FREUNDE der Villa Musica zwei Stunden vorher einen völlig unprätentiösen Star der Opernbühne, des Oratoriums und des Liedgesangs im Interview mit dem Feuilletonchef der Rhein-Zeitung, Claus Ambrosius.
Zum Ziele führt Dich diese Bahn...........Dies war der erste Satz, den Edith Mathis auf der Opernbühne sang, als zweiter Knabe in der „Zauberflöte“ – das war 1956 im Stadttheater Luzern. Ein Richtung weisender Satz der mit Sieg auf der ganzen Linie endete. Edith Mathis ging für vier Jahre nach Köln, sang dort unter Wolfgang Sawallisch die Zerlina, den Cherubino.....In den 60er Jahren nahm die Deutsche Grammophon sie unter Exklusivvertrag. Alles weitere erzählt Edith Mathis in etwa so: Die Susanna habe sie zuerst im Fernseh-Studio gesungen. Die schwarz-weiß Produktionen wurden mit Sängern der Hamburgischen Staatsoper gemacht. Mit der Pamina ließ sie sich 15 Jahre Zeit. Salzburger Festspiele, Bayrische Staatsoper, Covent Garden, Paris, die Met. In New York habe sie schrecklich lang herumgesessen. Fünf verschiedene Rollen habe sie an der Met gesungen. Aber jede Woche gab es nur eine Vorstellung. „Ein Agent wollte meine ganze Gage, um PR zu machen und mich in den USA dauerhaft einzuführen. Das wollte ich nicht. Ich dachte, ich singe meine Sachen so gut ich kann und gehe wieder nach Hause“ erzählt die bescheidene Schweizerin. Als Wieland Wagner sie nach Bayreuth rief, den Hirtenknaben zu singen, habe sie wegen Schwangerschaft absagen müssen. Bis zur Eva in den „Meistersingern“ von Richard Wagner sei sie nie gekommen, habe zum Schluss gerade noch die Marschallin im Rosenkavalier gesungen.“ Das ist parlando, da gibt es wenige Ausbrüche mit Orchester“. Sie habe immer gefürchtet, ihre Stimme zu ruinieren und immer sehr aufgepasst. „Vielleicht war es ein Fehler, habe ich mich zu wenig getraut“, sagt sie heute. Cosi fan tutte: Die Despina habe sie ständig gesungen, sich aber die Fiordiligi nie zugetraut: „Obwohl das mein Traum war. Das ist himmlische Musik. Fiordiligi singt den ganzen Abend oben, sie führt die Ensembles, muss ganz schön pfeffern – das habe ich nicht gewagt.“
Belohnt wird die Zurückhaltung und Stimmpflege aber durch das Urteil des Kritikers Jürgen Kesting. In seinem Buch „Große Stimmen“ schreibt er über Edith Mathis: Sie singe mit einem Höchstmaß an Natürlichkeit und Eloquenz. „Die Balance von Wort und Ton ist schlechthin exemplarisch.“
Wie trägt sie ihre Kunst weiter? Gesangsunterricht gibt Edith Mathis nicht. Aber sie hat an der Universität Wien einen Lied-Interpretationskurs. Beim Lied malt man mit der Sprache, sagt sie ihren Schülern – auch beim Kurs der Villa Musica in Engers.
Warum geht das Interesse am Kunstlied zurück, fragt Claus Ambrosius. Edith Mathis: „Die jungen Leute haben kein Verhältnis mehr zur Poesie, zu intimer Musik. Die Jungen wollen Lautstärke, die sind schon taub. Und Poesie finden sie lächerlich. Das liegt an den Schulen. Auch das ältere klassische Konzertpublikum will großes Orchester und Dschingderassa Bum, und einen Pianisten, der in die Tasten haut. Sänger, Leises, das halten die meisten Menschen nicht mehr aus, wenn sie nicht einen geistigen Hintergrund haben“, so Frau Mathis wörtlich. Dabei werde Musik durch das leise erst spannend. Ausschließlich laut sei plakativ, da höre man bald nicht mehr hin. Die jungen Sänger glaubten das nicht. Dabei sei Piano nicht wie Mäuschen, sondern voll und warm. Das rauszukriegen sei schwierig für einen Sänger. Aber: Leise und dann aufgehen – das sei spannend.
Das Gespräch mit Frau Mathis war äußerst spannend. Das Publikum hörte gebannt zu und folgte den Erzählungen der Sängerin stellenweise belustigt. Als Claus Ambrosius sie auf ihre 140 Tonveröffentlichungen ansprach und fragte, was sie für besonders gelungen halte, winkte sie zunächst ab: Sie höre sich ihre Aufnahmen nicht gerne an. Aber neulich habe sie in die 8. Mahler mit Raffael Kubelik hineingehört: „Man, das war irrsinnig, wie ich da vom Leder gezogen bin“, sagt sie mit einem Schweizer Charme, der an Lilo Pulver erinnert. „Vielleicht hätte ich doch die Eva singen können.“
Was sie besonders vermisst, nachdem sie 2001 ihre Sängerlaufbahn abgeschlossen hat. Die Oper sei es nicht. Die könne man entbehren. Aber nicht das Lied. „Wenn ich Feldeinsamkeit von Brahms höre, könnte ich weinen, so wunderbar ist das. Aber vorbei.“
Und was Sie noch vermisse: Wenn es Januar wird, die Oratorien. Jahr für Jahr habe sie im Münchener Herkules-Saal mit Karl Richter Bach-Kantaten aufgenommen. Später mit Peter Schreier in Dresden die weltlichen Kantaten. Und in der Karwoche ein Oratorium, das gehöre zum Jahreskreis dazu.
Wie steht es um das Stilempfinden der „alten Garde“ in punkto alte Musik, fragt Ambrosius.
Edith Mathis: „ Der Geschmack ändert sich, ob man will oder nicht. Wenn ich heute Richter höre denke ich, Mensch, so ein dicker Bachklang. Schrecklich ist es auch wenn man sagt, Du sollst kratzen auf der Geige. Aber eine leichtere Musizierweise in der Barockmusik ist gut“.
Eine Stunde ging es so im Plauderton. Abschließender Kommentar des Freundeskreismitglieds Dr. Muth aus Mainz: Ein gut geführtes Gespräch. Und Frau Mathis war von stellenweise umwerfender Natürlichkeit.
Anschließend das Konzert mit den Meisterschülern und danach noch ein bisschen Fachsimpeln – z.B. ob italienische Opern mal wieder deutsch gesungen werden sollten oder ob Originalsprache zwingend sei. Edith Mathis hatte für italienisch plädiert. Es war wieder ein anregender Tag unter FREUNDEN der Musik.