Martin Stadtfeld begeistert und berührt die Herzen

„Freunde der Villa Musica“ präsentierten ihn bei Karriere-Konzert

Martin Stadtfeld als Gast in der Villa Musica-Konzertreihe KARRIEREN – das hatte sich Barbara Harnischfeger als Präsentatorin und Interviewerin vom Künstlerischen Leiter der Villa Musica, Alexander Hülshoff, gewünscht. Veranstaltungsort sollte Schloss Burg Namedy sein, wo sich die Freunde der Villa Musica bei Heide von Hohenzollern, besonders wohlfühlen. Die ist ihr Ehrenmitglied. In Namedy hatte die Villa Musica ihren Anfang genommen im Norden des Landes - bevor es Schloss Engers gab. Prinz Godehard von Hohenzollern war 1997 der Gründungsvorsitzende des Vereins (bis zu seinem Tod 2001). Die „Freunde der Villa Musica“ präsentieren seit 2011 bei Karriere-Konzerten der Villa Musica ehemalige Stipendiaten, die erfolgreich ihren Weg gegangen sind. Es war die Idee von Alexander Hülshoff gewesen. Harnischfeger befragt die Künstler zu Leben und Arbeit und bringt sie im Gespräch dem Publikum nahe.

Der Spiegelsaal von Schloss Burg Namedy war zum Bersten voll am Samstag, 27. Januar 2024 um 18 Uhr. Trotz Winterwetter waren sogar Freunde aus Mainz angereist. Sie wurden reichlich belohnt. Martin Stadtfeld spielte ein Soloprogramm mit Beethoven, Chopin und Barockmusik,  das begeisterte und sogleich tief berührte.  Das Gesprächskonzert Karrieren in Schloss Burg Namedy war das 22.Villa Musica-Konzert dieser Art.

Martin Stadtfeld früh entdeckt

Die Freunde der Villa Musica verfolgen die Karriere des ehemaligen Villa Musica-Stipendiaten von Anfang an, also seit 25 Jahren, hatten seine erste CD finanziert als er 19 Jahre alt war. Mit 24 dann konnte der im Westerwald aufgewachsene Pianist seine Einspielung von Bachs „Goldberg Variationen“ bei SONY platzieren und wurde zum Shooting-Star. Seitdem ist er im In- und Ausland als Konzertpianist gefragt – bei großen Orchestern oder mit Soloabenden. 26 CDs sind bis heute von Martin Stadtfeld erschienen. In jüngerer Zeit widmet er sich stark der kleinen Form, bearbeitet er und variiert Stücke aus dem Barock, improvisiert sogar Volkslieder. Im Interview mit Barbara Harnischfeger erzählt Martin Stadtfeld, inzwischen 43 und weltberühmt, was ihm momentan wichtig ist.

Das Neueste: Martin Stadtfeld hat seit dem Wintersemester 23/24 eine Professur an der Hochschule für Künste in Bremen und kann dort als Hochschullehrer seine Erfahrungen an junge Pianisten weitergeben. Als kenntnisreicher und einfühlsamer Dozent hatte er sich in den vergangenen Jahren schon in der Kammermusikakademie Villa Musica in Schloss Engers bewährt, wohin ausgewählte InstrumentalistInnen der Spitzenklasse wochenweise eingeladen werden, um Konzertprogramme Pult an Pult mit dem Dozenten einzustudieren und dann bei Konzerten im Land zu spielen. Junge StreicherInnen, mit denen Martin Stadtfeld im Ensemble kommuniziert hat, die von ihm Impulse für Ausdruck in der Musik bekommen haben, schwärmen von seiner Zugewandtheit und der Intensität der Proben. Martin Stadtfeld kann sehr gut über Musik sprechen, kann weitergeben, was er selbst von seinen Lehrern gelernt hat. Seinem ersten Lehrer Hubertus Weimar ist die neue CD Baroque Colours gewidmet. Weimar, ein Organist, habe ihm, dem 6jährigen eine Vorstellung von Harmonie und Klang gegeben. Jedenfalls, das mit dem Professor komme jetzt genau zum richtigen Zeitpunkt im Leben. Er habe immer gerne unterrichtet, es sei seine Bestimmung geworden. Martin Stadtfeld wörtlich: “Aber mit 25 wäre das nichts gewesen, da muss man um die Welt reisen, eigene Sachen und Erfahrungen machen. Jetzt mit 43 ist es für mich goldrichtig – erfüllend und beglückend“.

Zwischen Rampenlicht und Komponier-Zimmer

Trotz Lehre hört Martin Stadtfeld natürlich nicht auf, durch die Welt zu reisen und Konzerte zu geben. Im Mai geht er zusammen mit dem Kammerorchester des Bayrischen Rundfunks auf eine China-Tournee. Aber er liebt es auch, im stillen Kämmerlein Neues auszuprobieren, Stücke selbst zu bearbeiten. Das bewahre ihn davor, sich an der Interpretation von immer wieder gespielten Werken festzufressen. Und so kam es zur CD Baroque Colours. Er habe Lust verspürt, auch etwas zu spielen, das nicht für Klavier komponiert ist, Arien von Händel zum Beispiel und die „Vier Jahreszeiten“ von Vivaldi. Er setze sich zuerst an den Computer, dann ans Klavier und versuche, das Stück spielbar und sanglich zu machen. Der „Winter“, in Namedy als erste Zugabe gespielt, riss das Publikum von den Stühlen. Auf der jüngsten CD ist Vivaldi enthalten, ebenso wie kurze Sätze von Rameau, Scarlatti, Händel – eben mal nicht nur aber auch Bach, für den Martin Stadtfeld berühmt ist, seit er 2002 den Ersten Preis beim Bach-Wettbewerb in Leipzig errungen hatte.

Barockmusik erfordert Kreativität des Interpreten

Improvisation ist ein Prinzip der Barockmusik und Martin Stadtfeld sagt, er habe sich die Freiheit genommen, damit zu spielen und zu variieren. Dass es nur kurze Sätze sind auf der CD habe den Vorteil, dass man damit junge Leute ansprechen könne, die aus der Pop-Musik an drei Minuten gewöhnt sind. Barockmusik sei für uns heute die zeitgemäße Musik, und zwar deshalb, weil man die Formen nur füllen könne, „wenn da ein kreativer Geist ist und sich jemand etwas Neues ausdenkt.“ Und: die Barockmusik könne wie ein Spiegel sein für unsere Emotionen, mache aber keine klaren Vorgaben, was man empfinden muss, im Gegensatz zu Beethoven etwa. Das Publikum in Namedy durfte sich allerdings über Beethovens Klaviersonate „Appassionata“ freuen und dabei zeigte sich: Martin Stadtfeld kann auch mal den Tastenlöwen geben. Die Zuhörer waren begeistert und jubelten laut.

„Eine CD, das ist mein Projekt“

Immer wieder CDs einspielen, hat die CD nicht ausgedient, fragte Barbara Harnischfeger, die selbst Abonnentin von Streaming-Diensten ist, den Pianisten und er antwortete: nein. Junge Leute seien für klassische Musik allerdings besser über die Streaming Portale zu erreichen. Und darüber bekomme er auch von Menschen, die ihn gar nicht kennen, Zuschriften aus aller Welt. Aber die CD sei weiterhin gefragt. Das durchweg ältere Publikum im Saal nickte zustimmend. Das Schöne an CDs seien auch die liebevoll gestalteten Begleittexte im Booklet. Martin Stadtfeld verwendet darauf großes Augenmerk. Und er bricht eine Lanze für die Plattenfirmen. Sein Vertrauensmensch bei SONY sei ihm ein wertvoller Partner, sei Anreger und auch mal Korrektiv. Eine Plattenfirma tue zudem alles, um das, was der Künstler möchte, nach außen zu tragen und sei auch deshalb eine unerlässliche Hilfe. Eine CD brauche der Künstler um zu zeigen: das ist mein Projekt, meine Visitenkarte. Barbara Harnischfeger knüpfte an und erwähnte, dass die Freunde der Villa Musica von Stipendiaten auf dem Weg in den Beruf immer wieder um finanzielle Unterstützung dafür gebeten werden und diese auch gerne gewähren. Martin Stadtfeld weiter: die Veröffentlichung einer CD sei auch deshalb wichtig, weil sie zum Anlass für Besprechungen genommen wird bei Zeitung und Radio.  Allerdings sehe er momentan keinen Sinn darin, die X-te Aufnahme eines Beethoven-Klavierkonzertes einzuspielen. Das sei etwas für die Konzerte. Und Konzerte geben sei sein Beruf, davon lebe er.

Martin Stadtfeld ist ein großer Experimentierer. Bei der jüngsten CD hat er mit den Tonmeistern darauf geachtet, dass eine besondere Mikrofonierung für einen warmen Klang und für Nähe beim Zuhörer sorgt. Vor Konzerten lässt er den Flügel vom Klavierstimmer besonders präparieren. Gerade war Martin Stadtfeld in Schloss Engers, um dort mit dem Klavierstimmer seines Vertrauens, Michael Salmon aus Neuwied, eine „mittlere Stimmung“ auszuprobieren, die für sein neues Projekt mit Musik der Renaissance passt. Neu und andersartig als das Bekannte müsse eine Produktion heutzutage sein.

Gegen Ende des Konzertes bedankte sich Diana Kreuter-Schmitt, die Schatzmeisterin von Freunde der Villa Musica, mit einer Flasche Rotwein statt Blumen beim Pianisten. Ganz links im Bild: Heide von Hohenzollern, die Hausherrin. Sie hatte sich einen zusätzlichen Stuhl mitgebracht, weil der Saal völlig ausverkauft war und mehr als 200 reguläre Plätze besetzt.

Ein Ausklang, der die Seelen berührte

Letzte Zugabe: "Adé zur guten Nacht". Das wurde bei Martin Stadtfeld, dessen Wesen und Spiel „Innerlichkeit“ ausstrahlt, zum tief berührenden Charakterstück. Die Zuhörer summten leise mit und zeigten so: Du hast uns erreicht. Was kann einem Künstler Schöneres passieren.